Cannabis ist jetzt seit fast einem Jahr (teil‑)legal – und vieles fühlt sich immer noch neu an. Was früher kriminalisiert und oft tabuisiert wurde, gehört inzwischen offiziell zum Alltag. Für manche ist das ein längst überfälliger Schritt in Richtung Freiheit und Eigenverantwortung. Andere schauen mit Skepsis auf die Entwicklung, unsicher, was diese Veränderung langfristig bedeutet. Doch was genau heißt das für dich – als Konsument:in, Angehörige:r oder einfach als jemand, der Teil einer Gesellschaft im Wandel ist? Zeit, genauer hinzuschauen und zu verstehen, was sich wirklich verändert hat – und wo die Chancen und Herausforderungen liegen.
In diesem Artikel bekommst du keine trockene Gesetzestexte, sondern einen ehrlichen, klaren und fundierten Einblick in das, was Cannabis tatsächlich ist – und was nicht. Es geht um Wirkung und Nebenwirkungen, um Genuss und Gefahren, um medizinisches Potenzial und den schmalen Grat zur Abhängigkeit. Bereit, Klartext zu lesen? Dann los.
Cannabis: Mehr als nur eine Pflanze
Die Hanfpflanze, aus der Cannabis gewonnen wird, liefert zwei zentrale Wirkstoffe: THC, der Hauptwirkstoff mit berauschender Wirkung, und CBD, das für viele der angenehm entspannenden Effekte verantwortlich ist. Diese Stoffe beeinflussen das körpereigene Endocannabinoid-System, indem sie an bestimmte Rezeptoren im Gehirn andocken. Dadurch wird unter anderem die Dopaminausschüttung im Belohnungssystem gesteigert – was die typische Euphorie nach dem Konsum erklärt.
In Deutschland wird Cannabis meist geraucht – etwa als Joint oder über Wasserpfeifen – oder verdampft, zum Beispiel mithilfe eines Vaporizers. Daneben gibt es die orale Einnahme, etwa in Form von mit THC versetzten Keksen oder Ölen. Diese verschiedenen Konsumformen beeinflussen, wie schnell und wie intensiv der Rausch einsetzt. Während das Rauchen bereits nach wenigen Minuten Wirkung zeigt, kann es bei Spacecookies bis zu zwei Stunden dauern, bis sich der Effekt bemerkbar macht – dafür hält er dann oft deutlich länger an.
Wirkung: Zwischen Entspannung und Kontrollverlust
Viele Menschen berichten beim Cannabiskonsum zunächst von positiven Empfindungen. Entspannung, Gelassenheit, ein gesteigertes Wohlbefinden – manche erleben sogar intensive Lachanfälle oder kreative Schübe. Doch nicht jeder Trip verläuft harmonisch. Bei höherer Dosis, bestimmter Genetik oder ungünstigem Setting kann es auch zu Halluzinationen, Verwirrung und Angstzuständen kommen.
Mit zunehmendem Konsumverlauf verändert sich das Empfinden oft. Die anfangs belebende Wirkung weicht einer eher passiven Grundstimmung. Antriebslosigkeit, Appetitsteigerung und kognitive Verlangsamung sind typische Begleiter. Die Dauer der Wirkung hängt stark von der Konsumform ab. Inhalativ konsumiert, dauert der Rausch meist zwei bis fünf Stunden. Bei oraler Aufnahme kann er sich bis zu zehn Stunden hinziehen.
Der Preis der Entspannung: Nebenwirkungen und Risiken
So angenehm der Rausch für manche sein mag – Cannabis ist kein harmloses Kraut. Körperlich kann es zu Übelkeit, Erbrechen, Herzrasen und einem trockenen Mund kommen. Viele Konsument:innen berichten von starkem Durst und Heißhunger, was oft zum bekannten „Fressflash“ führt.
Psychisch kann es deutlich ernster werden. Angstzustände, Panikattacken, Realitätsverlust oder sogar akute Psychosen treten nicht nur bei regelmäßigem Konsum auf. Selbst Gelegenheitskonsument:innen können betroffen sein – besonders, wenn sie eine entsprechende Veranlagung mitbringen. Die Symptome reichen von starker Verwirrtheit bis hin zu vollständigem Realitätsverlust, begleitet von Gedächtnislücken nach dem Abklingen des Rauschs.
Langfristig kann chronischer Konsum zu kognitiven Einbußen führen. Konzentrationsprobleme, Gedächtnislücken und ein amotivationales Syndrom mit Antriebslosigkeit, Leistungsschwäche und emotionaler Abflachung sind keine Seltenheit. Besonders gefährlich ist dies bei einem frühen Einstieg in der Jugend – das Gehirn befindet sich dann noch in der Entwicklung und reagiert besonders sensibel.
Zahlen, die nachdenklich machen
In Deutschland haben etwa 35 Prozent der Erwachsenen irgendwann in ihrem Leben schon einmal Cannabis konsumiert. Bei Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren liegt diese Lebenszeitprävalenz bei rund 10 Prozent. Der regelmäßige Konsum ist deutlich geringer, betrifft aber immerhin etwa vier Prozent der Erwachsenen und ein Prozent der Jugendlichen. Etwa ein Prozent der erwachsenen Bevölkerung entwickelt eine Abhängigkeit oder einen Missbrauch im klinischen Sinne.
Diese Zahlen zeigen: Cannabis ist längst kein Randphänomen mehr – es ist mitten in der Gesellschaft angekommen.
Zwischen Genuss und Gewohnheit: Wenn aus Konsum Abhängigkeit wird
Viele Konsument:innen glauben, sie hätten den Konsum im Griff. Doch der Übergang zur Abhängigkeit verläuft oft schleichend. Toleranzentwicklung, Kontrollverlust, starkes Verlangen und Entzugserscheinungen beim Absetzen – all das sind Hinweise darauf, dass der Konsum problematisch geworden ist.
Die Symptome eines Cannabisentzugs können sowohl körperlicher als auch psychischer Natur sein. Häufig treten Schlafstörungen, motorische Unruhe, Zittern, Schwitzen, Gereiztheit, Ängste oder depressive Verstimmungen auf. In der Regel setzen die Beschwerden etwa zwölf Stunden nach dem letzten Konsum ein und können bis zu drei Wochen anhalten. Eine medikamentöse Behandlung ist selten nötig – dafür gibt es psychotherapeutische Ansätze, die sich in der Praxis bewährt haben.
Hilfe beim Aufhören: Wege aus der Abhängigkeit
Wer den Absprung schaffen will, hat verschiedene Möglichkeiten. Ambulante Programme bieten meist Kurzzeitinterventionen mit psychoedukativen Elementen, Verhaltenstherapie oder auch Familientherapie. Ziel ist es, Konsummuster zu erkennen, Alternativen zu entwickeln und Motivation für Veränderung zu schaffen.
Bei starker Abhängigkeit, komplizierten sozialen Umständen oder psychischen Begleiterkrankungen kann eine stationäre Therapie sinnvoll sein. Ergänzt werden diese Angebote durch Selbsthilfegruppen oder internetbasierte Entwöhnungsprogramme wie die Plattform Quit the Shit, die diskret und anonym Unterstützung bietet.
Pharmakologische Unterstützung zur Rückfallprophylaxe gibt es derzeit keine. Umso wichtiger sind persönliche Motivation, soziale Stabilität und therapeutische Begleitung.
Cannabis als Medikament: Zwischen Hoffnung und Hürden
Seit der gesetzlichen Änderung im April 2024 ist die Verschreibung von medizinischem Cannabis einfacher geworden. Die Pflicht für ein spezielles Betäubungsmittelrezept entfällt – mit Ausnahme von Nabilon. Trotzdem bleibt eine ärztliche Verschreibung erforderlich, und die Kostenübernahme durch die Krankenkasse muss im Einzelfall geklärt werden.
Medizinisch wird Cannabis zur Linderung verschiedenster Beschwerden eingesetzt: von chronischen Schmerzen über Spastik bei Multipler Sklerose bis hin zu Übelkeit und Appetitlosigkeit bei Krebserkrankungen. Verschiedene Präparate stehen zur Verfügung – synthetische Wirkstoffe wie Dronabinol oder Nabilon ebenso wie Extrakte und getrocknete Blüten.
Doch so vielversprechend diese Therapieoptionen auch klingen: Die wissenschaftliche Evidenz ist bislang noch begrenzt. In den kommenden Jahren wird mit einer deutlich besseren Datenlage gerechnet – nicht zuletzt dank der vereinfachten Verordnungspraxis.
Verantwortungsvoll konsumieren – oder gar nicht?
Cannabis kann entspannen, Schmerzen lindern und sogar medizinisch helfen. Es kann aber auch abhängig machen, die Psyche belasten und das Leben aus dem Gleichgewicht bringen. Die Legalisierung bedeutet nicht, dass Risiken verschwinden – sie verlagert nur die Verantwortung stärker in deine Hände.
Wenn du konsumierst, tu es bewusst. Wenn du aufhören willst, hol dir Unterstützung. Und wenn du unsicher bist, informiere dich – ehrlich, offen und ohne Tabus. Gerade beim regelmäßigen Konsum wird oft unterschätzt, wie stark Cannabis auf die Psyche wirken kann. Einige berichten von kurzfristiger Entspannung, andere geraten in anhaltende Stimmungstiefs oder emotionale Leere. Tatsächlich zeigen Studien, dass ein Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und psychischen Erkrankungen wie Depressionen bestehen kann – vor allem bei jungen Menschen oder bei genetischer Vorbelastung. Mehr über die Symptome, Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten erfährst du in unserem ausführlichen Beitrag zum Thema Depressionen.
Fazit: Zwischen Freiheit und Verantwortung
Die Teillegalisierung von Cannabis in Deutschland ist ein Meilenstein – aber sie ist kein Freifahrtschein. Der verantwortungsvolle Umgang mit der Droge beginnt bei jedem Einzelnen. Ob du konsumierst oder nicht, ist deine Entscheidung. Aber sie sollte informiert, reflektiert und bewusst getroffen werden.
Wenn du merkst, dass Cannabis mehr nimmt als gibt, dann ist es vielleicht Zeit, einen anderen Weg einzuschlagen. Hilfe gibt es – online, anonym, kostenlos.
Dieser Beitrag wurde von Workbee unter Verwendung der Ressourcen von AMBOSS, einer führenden digitalen Wissensplattform für medizinische Fachpersonen, zusammengestellt. AMBOSS liefert kontinuierlich aktualisierte, leitliniengerechte Inhalte, die von einem Team von über 80 Fachexpert/innen geprüft werden und bietet damit eine verlässliche Quelle für die medizinische Aus- und Weiterbildung. Pflegefachpersonen mit einem Workbee-Account können AMBOSS Pflege drei Monate kostenfrei testen: Hier geht’s zum Workbee-Partnervorteil.